Am Limit in Linde: Das Testrennen
Perfekte Bedingungen
Am Ostermontag erwarten uns in Linde perfekte Bedingungen zum Testrennen, dem traditionellen Abschluss des Wintertrainings. Nur die Teilnehmerzahl lässt etwas zu wünschen übrig, ganze elf Leute sind gekommen, um sich zu messen. Der Rest möchte „nur“ zuschauen, anfeuern oder Fotos machen. Morgens 10:30, vor dem Restaurant „Haus Burger“ in Linde im Bergischen Land. Kaum Leute auf der Straße, nur ein paar Verrückte mit Rad, fast alle im Trikot des Teams „Von 0 auf 60“. Nach ein bisschen Geplänkel und Hinweisen zum Ablauf geht es schließlich auf die Strecke zur Einführungsrunde.

Neue Streckenführung
Diese Einführungsrunde ist etwas wichtiger als in den letzten Jahren, denn aufgrund einer Baustelle direkt nach einer schnellen Abfahrt, musste Teamchef und Trainer Peter Zaun eine neue Strecke finden. Sie ist kürzer und es gibt nur ein kleines Stück, das sie sich mit der alten teilt: Die Abfahrt vom „Haus Burger“ bis zur Hauptstraße. Dieses Stück, eigentlich der Beginn der alten Strecke, wird zum Ende der neuen allerdings in umgekehrter Richtung, es geht von der Hauptstraße nach Linde rein, endet also bergauf.
Einzelrennen und Paarzeitfahren

Der Start ist nicht mehr auf der Hauptstraße vorm Haus Burger, sondern in der kleinen Straße neben dem Restaurant. Es geht zunächst bergauf in ein kleines Waldstück, dann wird es ein bisschen wellig, es folgen kurz auf einander zwei 90-Grad-Kurven nach rechts, mit kurzem Gegenanstieg nach der zweiten auf eher schlechtem Asphalt. Dieser Anstieg liegt darüber hinaus auch noch im Schatten. Schlecht einzusehen, man muss das Risiko mögen, um sie Vollgas zu fahren. Anschließend folgt eine längere leicht wellige Bergab-Passage, die in die in die Hauptstraße mündet. Nach ca. 150 Metern geht es rechts ab nach Linde zurück, hinein in den anfangs beschriebenen Anstieg zum „Haus Burger“. Eine Runde ist 5,9 Kilometer lang. Die alte hatte eine Länge von elf Kilometern. Deshalb werden doppelt so viele Runden gefahren (sechs statt drei). Anschließend folgt ein weiteres Schmankerl: Zwei Runden Paarzeitfahren.
Ein paar Minuten harte Arbeit

Ich fahre so halb außer Konkurrenz mit, um nebenbei ein paar Filmaufnahmen zu machen, hab zum Glück aber Lust, es auch ein wenig krachen zu lassen. Ich fahre zunächst ein paar hundert Meter und halte hinter dem kleinen Waldstück. Ich warte auf die anderen, die kurze Zeit später in hohem Tempo angeschossen kommen, an erster Stelle ein Gastracer vom FC St Pauli, Thomas Wand, der schon einen ziemlichen Vorsprung herausgefahren hat, ihm folgen die ersten 0auf60er, Dave und Jürgen K., dann eine Gruppe um Christopher, Mirja, Barbara und Domenico, auf deren Fersen ich mich mache, bevor Susanne, Thea und Jürgen Z. folgen.
Und zwar aus Gründen: den ersten und auch den zweiten konnte ich beim Vorbeifahren filmen. Mit den beiden zu fahren, läge zwischen totaler Aufopferung knapp diesseits und weit jenseits meines Limits und ungesunder Selbstüberschätzung. Besser ich fahre mit den Verfolgern und lasse mich zurück fallen. So habe ich alle mal im Bild und es ist einfacher, als sich erst zurückfallen zu lassen, und dann zu den Verfolgern aufzuschließen.
So fahre ich also die erste Runde im Feld der Verfolger (das im Laufe des Rennens auseinander fallen wird) und lasse mich am Schlussanstieg (wie praktisch) zum Peloton (Jürgen Z., Susanne, Thea) zurückfallen. Mit ihnen nehme ich dann die zweite Runde in Angriff. Das hätte es sein können. Doch selbst, wenn wir nicht wollen: Wir haben alle unsere Vorbilder und Helden. Wunschbilder von uns selbst und wie wir sein wollen. Bilder, denen wir gerecht werden wollen, oder innere Dämonen, die uns treiben. Dinge, die uns dabei helfen das, was wir tun, so gut wie möglich zu tun. Dinge, die uns antreiben und motivieren. Dinge, die Sinn stiften. Dinge, die das, was wir tun, nicht vollkommen irre dastehen lassen. Dinge, die helfen, bekloppte Ideen, heroisch zu verklären.

Vorbilder und Helden
Ehrgeiz? Oder haben vor einem Fahrende so etwas wie eine magnetische Wirkung? Es ist ja nicht so, dass die langsam fahren, ist schließlich ein Rennen. Und wir befinden uns auf einer Strecke, die von Zeit zu Zeit Einblick gewährt in das, was ein paar hundert Meter vor einem passiert. Ich brettere also mit Vollgas in die dritte Runde und sehe an den betreffenden Stellen…. Nichts.

Ich könnte es also lassen. Wäre vernünftiger. Aber es macht gerade so einen Höllenspaß. Ich halte also das Tempo, nehme die Kurven mit vollem Risiko und rumpele über den miesen Asphalt, dass die Kiesel fliegen. Dann sehe ich in der vierten Runde an den Stellen, an denen man weit vorausschauen kann: Uh, die sind aber noch weit weg. Plötzlich klickt es noch einmal im Kopf (oder es setzt völlig aus, hängt vom Betrachter ab): Ich SEHE sie.
Diese Tatsache macht komische Dinge mit Midlife-Crisis geplagten Männern auf Rennrädern. Es lässt sie wie von allen guten Geistern verlassen in die Pedale treten. Der Puls rast, gefühlt 200 Schläge pro Minute. Soll er doch, denn gleich kommt der Schlussanstieg, mittlerweile zum vierten Mal. Dort kann man nicht so weit vorrausschauen, aber: Ich SEH sie, Barbara und Domenico. Zieldurchfahrt und ich sehe sie nun die ganze Zeit, die rumpelige Kurve vor dem Gegenanstieg nochmal voll nehmen, und ich HAB sie – WHAMBAM. Und ich bin ein bisschen stolz. Und völlig fertig. Der Schlussanstieg, das vorletzte Mal. Ich muss abreißen lassen. In der letzten Runde versuche ich nicht mehr, die Lücke noch einmal zu schließen. Aber es ist okay, ich hab mein Ziel erreicht. Es hat im Grunde keine Bedeutung. Aber selten hat etwas so viel Spaß gemacht.
Das Paarzeitfahren entscheidet
Nach einer kurzen Pause folgt das Paarzeitfahren. Das Einzelrennen diente lediglich zur Bestimmung der Paare. Es fährt der Erste mit dem Letzten, Der Zweite mit dem Vorletzten und so weiter. Zwei Runden, Start der Paare im Abstand von einer Minute, gewertet wird der Zweite. Es wird sich herausstellen, dass alle Paare zusammenbleiben.

Weil es insgesamt elf Teilnehmer sind, verzichte ich, um stattdessen ein paar Aufnahmen zu machen. Am Ende wird das Team aus Erstem und Letztem siegen. Ihre Namen? Nicht wichtig, weil: Es war zum Ende des Wintertrainings ein Sieg, der sich die guten und die schlechten Trainingstage abgezeichnet hat. Ein Sieg der Lust und der Freude am Radfahren.
Mit Dank an den Trainer des Tages und des Jahres
