Tobis Radblog: Wintertraining "Von 0 auf 60" Saison 2018/19 - Trainingslager 06. - 14. April - Teil 1

Im lauen Fegefeuer des Bergischen

Es herrscht große Vorfreude

Die Vorfreude war wie in den letzten Jahren enorm. Und dann ging alles so schnell, noch die letzten Sachen erledigen, alles – und insbesondere die Räder – vorbereiten. Dann befand ich mich auch schon auf dem Weg nach Refrath zur ersten Ausfahrt des neuntägigen Trainingslagers im Bergischen Land. Geht es besser? Wohl kaum.

Nur eine Sache ist noch zu erledigen: Die Umwerferschelle an meinem Number-One-Rad ist eine Woche zuvor gebrochen. Materialfehler? Brachiale Schaltgewalt einer mechanischen Campagnolo-Chorus-Schaltung? Niemand weiß es: Ab ist ab. Aber Trainer Peter Zaun macht sie wieder dran, am Morgen des ersten Trainingstages. Was für ein Service, vielen Dank nochmal. Denn das Trainingslager möchte ich doch gerne auf dem besten Rad durchziehen, am liebsten mit beiden Kettenblättern. So bleibt nicht viel Zeit zu denken, bis man schließlich auf dem Rad sitzt.

Fließender Übergang in den Trainingsmodus

Rennrad Wintertraining Trainingslager
Die erste Ausfahrt des Trainingslagers: Erstmal einrollen

Die erste Ausfahrt ist meiner Ansicht nach angelegt als fließender Übergang von der Vorfreude in den für viele wohl fragwürdigen Genuss des systematischen „sich alle Machens“. Fernsehtechnisch übrigens passend eingerahmt von der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix („die Hölle des Nordens)“. Aber was macht das Wetter? Der Auftakt ist absolut okay. Trocken, Sonne, ein bisschen frisch vielleicht. Einziger Wermutstropfen: Die krankheitsbedingten Absagen im Vorfeld, das Teilnehmerfeld ist von 13 auf neun geschrumpft. Auch ich fühle mich nicht 100 Prozent auf der Höhe. Es kratzt im Hals, die Beine fühlen sich ein bisschen schwer an. Könnte allerdings auch an den vier Tagen Pause liegen. Durch die Arbeit konnte ich nicht ganz so wie ich wollte.

Nach 40 Kilometer Einrollen über die Wellen von Forsbach, die Abfahrt nach Rösrath, die Schlaglochpiste durch die Wahner Heide und die Flughafenstraße, fühlt es sich besser an. Dazu ist der Tag ja auch gedacht: Locker fahren, bevor die harten Tage kommen. Da kann man sich auch noch danach in der Eisdiele in Refrath ein Eis gönnen. Gelungener Einstand.

Am zweiten Tag warten die ersten Höhenmeter

Am zweiten Tag des Trainingslagers steht die erste längere und härtere Tour an. Wie üblich – da das Trainingslager innerhalb des Wintertrainings stattfindet – sind dabei alle Winterfahrer von „Von 0 auf 60“ mit am Start. Statt neun Leuten also rund 30, wie immer aufgeteilt in zwei Gruppen, Cappuccino und Espresso. Da beide Gruppen dieselbe Strecke fahren und der Geschwindigkeitsunterschied untereinander nur minimal ist, erfolgt die Teilung erst unterwegs. Die etwas schnelleren Espressos sortieren sich vorne im Feld ein, zwischen Guide Jürgen K. an der Spitze und Peter Zaun in der Mitte, die Cappuccinos dahinter, angeführt von Guide Jürgen Z., in vorbildlicher Zweierreihe vor mir, dem Schlusslicht. Es geht über knapp 1.000 Höhenmeter zum  Ommerborner Freiluftaltar, „Drei Kreuze“ genannt, bei Obersteinbach. Im Grunde ein altbekanntes Ziel, nicht so bekannt wie Rom – wo bekanntlich alle Wege hinführen, zum Ommerborner Freiluftalter führen aber immerhin eine ganze Menge Wege, von denen wir ziemlich viele mittlerweile kennen.

Rennrad Wintertraining Trainingslager
Die Strecke des zweiten Tages

Forellenteiche und mehr oder weniger epische Anstiege

Der heutige Anstieg führt über Herkenrath, Spitze, Dürscheid und Biesfeld, vorbei am Angelpark Bosbach. Sieben von der Natur so geschaffene rechteckige, im rechten Winkel angeordnete Teiche, die – ebenfalls von der Natur – bis zum Rand mit Forellen gefüllt sind. So kann sich der Angler einen Moment lang fühlen wie der Held eines Hemingway-Romans („Der Midlife-Crisis Mann und der Teich“). Ist ja nur fair, wenn wir uns fühlen, als wären wir die Protagonisten einer epischen Radsportschlacht („Das laue Fegefeuer des Bergischen“). Denn nachdem die Forellenfreudenhäuser passiert sind, geht es rechts ab in den legendären Aufstieg nach Kürten-Olpe, drei Kilometer mit einer durchschnittlichen Steigung von knapp zwei Prozent (naja, es sind 1,6 Prozent, aber über fünf rundet man auf).

Hey, aber es ist Sonntagmorgen, wahrscheinlich sind mehr Leute in der Kirche, am Frühstückstisch oder verkatert als auf dem Rad. Insofern sind wir auf der guten Seite. Wir machen das außerdem freiwillig und bekommen kein Geld dafür. Da darf die Steigung gemächlicher sein, es ist ja auch nicht die steilste oder letzte. Und die Trainingslagerteilnehmer haben nach dieser Tour noch sieben weitere vor sich.

 

Das wird ihnen freudig bewusst, als die Gruppe in Unterselbach das Restaurant „Hähnchen-Ewald“ passiert. Dessen Parkplatz ist der Treffpunkt für die Königsetappe am Freitag, Anfangs- und Ausgangspunkt mit anschließendem Abendessen eben dort. Aber das ist alles Zukunftsmusik.

 

Da die durchschnittliche Steigung die Zwei-Prozent-Hürde nicht knackt, darf (heißt: SOLL) sie als Intervall im Grundlagenausdauerbereich zwei gefahren werden, ein bisschen, aber nicht allzu weit  raus aus der Komfortzone. Zunächst geht es hinab nach Junkermühle und dann endlich hinauf zu den drei Kreuzen, allerdings nicht vorbei an der Kapelle Sankt Johannes der Täufer. So christlich sind wir dann doch nicht unterwegs, vielleicht ist der kleine Schlenker aber für die Zukunft eine Überlegung wert.

Irgendwie kraftlos

Wenig später wartet die nächste Herausforderung, es geht hinauf nach Lindlar, zwei Kilometer, im Schnitt immerhin 3,4 Prozent (Abrunden sparen wir uns), immer noch nicht viel, dafür aber bitte auf dem großen Kettenblatt – also wieder als Intervall. Einfach um zu sehen, dass es gar nicht so schwer ist, moderate Steigungen mit einem dicken Gang hochzudrücken. Das große Kettenblatt entfaltet einfach eine bessere Hebelwirkung, und die eine oder der andere ist überrascht, welchen Speed man auf Steigungen aufbauen kann.

Am Ende wartet der Anstieg nach Bärbroich mit drei Kilometern und 4,9 (also mindestens fünf) Prozent im Schnitt, und obwohl ich beinahe die ganze Zeit ruhig als Cappuccino-Schlusslicht gefahren bin, tut der Hügel ziemlich weh. Guide Jürgen Z. sagt mir noch, ich könne ruhig durchziehen, er behalte alles im Blick, aber ich will gar nicht. Mir kommt sogar kurz der Gedanke: Kann ich vielleicht auch gar nicht? Der Puls ist niedrig, aber es fühlt sich an, als hätte man mir komplett die Kraft aus den Beinen gesogen. Ich denke an die nächsten sieben Tage und fühle mich gleich noch ein bisschen schlechter.

Unverzügliche Ursachenforschung: Es hat sich gestern schon nicht gut angefühlt. Ich habe unheimlich schlecht geschlafen und aufgrund der Narkolepsie immer noch etwas mit der Zeitumstellung zu kämpfen. Der Knoten ist heute nie richtig geplatzt. Vielleicht bin ich gerade nur faul. Oder müde. Liegt es daran, dass ich komplett nüchtern gefahren bin oder werde ich krank? Bitte nicht letzteres…


+++ Fortsetzung folgt+++