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Tobis Radblog: Rennradtraining - motiviert durch den Winter - wie schaffe ich das?

Nass, kalt, egal

Kleine Erfolge feiern

Jetzt ist es also auch für Linda und mich so weit, wir stoßen zu Pierre und dem Team und gehen unsere erste sonntägliche Wintertrainingseinheit mit "Von 0 auf 60" an. Obwohl ich da Ganze zum sechsten Mal mache, bin ich etwas aufgeregt. Dabei hab ich meinen ersten Trainingserfolg schon hinter mir. Irgendwie hatte ich beim Aufstehen am Samstag das Gefühl, dass dieser Tag nicht so wird, wie ich es gerne hätte. Zwangsläufig, denn ich musste arbeiten.

Elmar Sprink: Den Tod vor Augen und dann den Traum gelebt

Womit klar war, dass ich den Motivations-Workshop mit dem Triathleten Elmar Sprink verpassen würde. Elmar ist nicht irgendein Triathlet – er ist der erste Triathlet, der den Ironman auf Hawaii mit einem transplantierten Herzen absolviert hat. Der Mann hatte den Tod vor Augen, Träume zerplatzten von einem Tag auf den anderen, doch er kämpfte sich zurück ins Leben und dann sogar ins Ziel auf Hawaii. Wenn jemand weiß, was Motivation ist, dann wohl Elmar Sprink. 

Luxusproblem

Und mir wird einmal mehr klar: Das Rumlamentieren wegen meiner chronischen Krankheit ist Klagen auf hohem Niveau – im Vergleich mit dem, was Elmar erlebt hat, ist Narkolepsie ein Luxusproblem. Ich schätze mal, ich hätte einiges von ihm lernen können, denn ständige Müdigkeit ist ein Motivationshemmer. Wenn man sich nicht zusammenreißt, findet man sich schnell wie ein im Selbstmitleid ertrinkendes Häufchen Elend in irgendeiner dunklen Ecke wieder. Ein ziemlich erbärmlicher Anblick.

Rettung durchs Radfahren

Radfahren hat mich aus dieser Ecke geholt – da ist es nur recht und billig, wenn ich das mit entsprechender Motivation und angemessenem Ehrgeiz zurückzahle. Und wenn ich mich daran erinnere, dann wird auch ein Tag, von dem ich nicht allzu viel erwartet habe, noch ziemlich gut. Statt in Sofakissen und Netflix zu versinken, habe ich mich also noch etwas mehr als eine Stunde auf meine freie Rolle geschwungen. Gute Übung, um die Radbeherrschung zu verbessern. 

Da ich mittlerweile einigermaßen ruhig und sicher auf dem Ding fahren kann, mussten neue Ziele her. Zum Beispiel mit nur einem Bein treten – das bringt einen leicht aus dem Gleichgewicht. Oder freihändig fahren, wozu man das Vorderrad extrem ruhig halten muss. Letzteres hat gestern zehn Sekunden lang funktioniert. Ist eher eine mentale Sache. Trotzdem, ein guter Anfang. Also werde ich mich gleich mit einem guten Gefühl auf den Weg zum Treffpunkt an der Radfabrik machen.

Kälte und Nässe: Ständige Begleiter im Winter

Rennrad Wintertraining
Kälte, Nässe: Manche Bedingungen machen nicht gerade Spaß

Das ist im Moment, an einem strahlenden Sonntagmorgen noch ziemlich einfach – ist man so vom Herbst nicht gewohnt. Unter der Woche ist das mit der Motivation schon etwas schwieriger, gerade wenn man berufstätig ist. Die Sonne verabschiedet sich um halb sieben, also kurz nach Feierabend. Nicht jeder mag es, stundenlang in der Dunkelheit zu fahren, noch dazu, wenn das Wetter immer herbstlicher, kälter, rauer und feuchter wird. Also was tun?

Ich kann da nicht für andere sprechen, aber für mich habe ich da ein paar Sachen herausgefunden. Kein ultimatives Konzept, aber ich arbeite stetig dran, und jedes Jahr wird es etwas besser.

Immerhin ein rudimentäres Konzept

Rennrad Wintertraining
Den Schweinehund überwunden und belohnt worden: Arschkalt, aber wunderschön

Zum einen halte ich die Zahl der "Draußen-Fahrten" fest. Es sollen mindestens 122 sein, was auf das Jahr verteilt bedeutet: Jeder dritte Tag.

Zum anderen halte ich die Zahl der Stunden fest, die ich über das Jahr im Sattel sitze (Rolle und draußen). Die Marke liegt hier bei 600 Stunden, also 25 ganze Tage. Früher habe ich mich auch gerne an den Kilometern orientiert, mittlerweile steht die Dauer des Trainings im Vordergrund.

Diese Marken werden jedes Jahr erhöht, solange bis es nicht mehr geht. Die Macht von Zahlen ist nicht zu unterschätzen, sie bewirkt mitunter, dass man sich trotz Dunkelheit und Regen nach draußen begibt statt auf der Rolle zu fahren. Außerdem schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe, da das Training meistens auch länger dauert als auf der Rolle. Es ist schlicht spannender, sich von A nach B und wieder zurück zu begeben als auf der Stelle zu treten.

 

Und wenn man schon auf der Stelle tritt, sollte man sich eine weitere Herausforderung suchen. Wie gesagt, das stumpfe Abspulen von Kilometern wird schnell langweilig – Abwechslung bringt eine Einheit auf der freien Rolle. Das bringt darüber hinaus noch etwas für die Radbeherrschung und die Koordination – also das Gehirn.

Unverzichtbar und unbezahlbar: Leidensgenossen an Deiner Seite

Rennrad Wintertraining
Im Winter raus: In Gesellschaft leichter

Ob nun freie Rolle oder feste Rolle: Viele schwören ja in dieser digitalen Zeit auf Zwift. Doch auch solche viralen Duelle sind kein Ersatz für die Straße. Wie auch immer sich jeder einzelne antreibt, man sollte schauen, möglichst draußen zu fahren. Vielleicht einfach mal auf die Rolle setzen, auf Youtube eine komplette Bergetappe anschauen und mitfahren, inklusive der Anstiege durch das Erhöhen des Rollenwiderstands. Wer das einmal gemacht hat, ist froh wieder raus zu können, egal wie Dunkel, egal wie nass.

Aber was man wo auch immer tut, wie groß die Eigeninitiative auch ist. Wichtig sind Leute, Leidensgenossen. Der nächste tiefgraue, kalte, verregnete Sonntagmorgen kommt bestimmt. Und es ist verdammt gut zu wissen, dass es da ein paar Unerschrockene gibt, mit denen man allen noch so widrigen Bedingungen gemeinsam trotzen kann.