Vorbereitung auf die Saison 2019 mit "Von0auf60"
Gut aus dem Sommer rauskommen und dann neu durchstarten
Der Sommer ist vorbei, der Herbst da, Alejandro Valverde ist UCI-Straßenweltmeister 2018, die Saison ist also zu ende. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, demnach ist nach der Saison vor der Saison, und Zeit für die alljährliche Frage: In welcher Verfassung komme ich aus der Saison raus und in die neue rein. Der Härtetest am letzten Septemberwochenende, 169 Kilometer von Köln nach Bingen in etwas mehr als sechseinhalb Stunden, weckt den Eindruck: ziemlich gut.
Jedes Jahr ein bisschen besser

Doch es stellen sich weitere Fragen: Was sind die Ziele für 2019, wie kann ich sie erreichen? Und vor allem: Wie komme ich durch den Winter? Ein kontinuierliches und vernünftiges Training über den Winter hinweg ist wichtigste Voraussetzung für einen gelungenen Saisonstart. Das Wintertraining mit dem Projekt "Von0auf60" hat sich in den letzten fünf Jahren bewährt, jedes Jahr kam ich in etwas besserer Form aus dem Winter, natürlich habe ich die Hoffnung, dass sich das so fortsetzt. Jeder neue Winter macht deutlich, dass Jahr für Jahr etwas mehr Eigeninitiative nötig ist. Das regelmäßige Fahren mit dem Team einmal in der Woche ist jedoch der elementare Grundstock, um den sich alles aufbaut. Es ist sozusagen die Grundlagenausdauer, und von der kann man bekanntlich nicht genug haben. Da setzt das Wintertraining an, und dem ordnet sich zunächst alles unter. Die Zeit der Höchstleistungen (und auch der spektakulären Erlebnisse) ist zunächst vorbei. Doch es werden weitere kommen.
Die jährliche "Von0auf60" Teampräsentation Ende September, die sich in erster Linie an die neuen Teilnehmer richtet, markiert den Beginn der Saisonvorbereitung und die damit einhergehende Rückkehr zum Ausbau der Basis. Und es gilt ganz besonders die Regel: Dauer geht vor Geschwindigkeit. Das kann mitunter langatmig sein. Und unangenehm, wenn es kalt und nass ist. Es gibt da mehrere Horrorszenarien, eines ist sicherlich vier bis fünf Stunden fahren bei zwei Grad und Nieselregen, da hat jeder bestimmt seine ganz eigenen Hassbedingungen.
Viele unterschiedliche Ziele - gemeinsames Training
Es kann enervierend sein, wenn man den Weg zum Ziel erklärt, was sich bei Grundlagenausdauereinheiten im Grunde von selbst ergibt. Spätestens im Frühling aber wird der Weg heller, wärmer, sonniger und schneller – von ganz allein.
Die Ziele sind in dem Team "Von0auf60" so viele und unterschiedlich wie die Leute. Die einen sind zum ersten Mal dabei, verbringen ihre erste Saison oder ihren ersten Winter auf dem Rennrad, andere kommen nach ein oder zwei Jahren Abwesenheit zurück, andere sind seit Jahren kontinuierlich dabei. Der eine möchte es einfach schaffen, eine Distanz von 60 bis 70 Kilometern im Flachen gut zu überstehen, die andere möchte langfristig den Ötztaler fahren, nicht irgendwie, sondern in einer guten Zeit, ein anderer will Rund um Köln mit einem 39er Schnitt fahren, eine andere einfach nur ins Ziel kommen. Eine kleine Gruppe von sieben Leuten will im Mai 2019 die Mecklenburger Seenrunde (300 km) fahren. Guide Jürgen Zeiler hat letztes Jahr vorgemacht, dass man das in einem 28er Schnitt schaffen kann.
In den Blogs über das Wintertraining 2018/19 werde ich mir immer wieder ein paar Leute rauspicken, über ihre Ziele berichten, ihre Fortschritte und Rückschläge und das, was wir alle teilen: Die Leidenschaft fürs Radfahren, ob sie nun nur leicht im Verborgenen stetig glüht oder fanatische Flammen entfacht. Und alle fahren zusammen in einem Team, respektieren sich und arbeiten miteinander an all diesen unterschiedlichen Zielen. Teamleiter und Trainer Peter Zaun hat die einzigartige Eigenschaft, alle diese verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen, ohne dass dabei jemand zur kurz kommt. Da kommt wieder die Eigeninitiative ins Spiel: Peter kann nicht jeden von uns ans Ziel führen, aber er bringt jeden auf den richtigen Weg.
Mit netten Menschen fahren, sich gut aufgehoben fühlen

Das verspricht sich auch Linda von dem Projekt. Sie ist zum ersten Mal dabei und fährt seit anderthalb Jahren. Im Grunde, aber erst ein Jahr lang, wie sie selbst sagt, denn "im letzten Winter habe ich dann monatelang ausgesetzt". Viele, die ihr gesagt haben, sie führen den Winter durch, taten es dann doch noch. Und, zack, das übliche, ganz natürliche Problem war da, "an kalten oder verregneten Tagen den Hintern hoch zu bekommen". Diese mehrere Monate Pause bedeuten aber nun mal auch, dass die Form, mit der man im Oktober abgestiegen ist, beim Aufsteigen im März definitiv futsch ist, gerade, wenn man noch nicht so lange fährt. Das soll nicht nochmal passieren. "Wenigstens auf dem Level bleiben" lautet also Lindas Plan für das Wintertraining. "Und dann im Frühjahr 2019 darauf aufbauen. Wenn man sogar im Winter weiter aufbaut, wäre das fantastisch. Und mit netten Menschen fahren. Bei Peter weiß ich, dass ich gut aufgehoben bin und alle Fragen stellen kann, die mir in den Kopf kommen."
Comeback nach langer Verletzung
Und dann ist das Pierre, der dieses Jahr zum vierten Mal den Winter mit dem Team in Angriff – wobei es eigentlich erst das dritte Mal ist, denn letztes Jahr im Dezember haben massive Fußprobleme ihm einen Strich durch den Trainingsplan gemacht. Es folgte ein Ärzte-Marathon, dann im Frühjahr endlich eine eindeutige Diagnose: Anriss der Sehne im Fuß. In Teilen Erleichterung, endlich zu wissen, was nicht stimmt. Im Juli – nach mehr als einem halben Jahr Pause "durfte ich erstmals wieder aufs Rad, Urlaub in Holland – herrlich". Das Ganze war jedoch versehen mit einem "aber": Alleine fahren. Das mag manchem gut bekommen, allerdings gibt es niemandem außer einem selbst, der einen aus der Komfortzone holt. Und gerade nach einer so langen Pause, möchte man es doch einfach erst mal nur genießen, wieder auf dem Rad zu sitzen, "weshalb ich mich nicht so gut motivieren konnte, unter Trainingsbedingungen zu fahren – es war eher ein Radeln als ein Radfahren", so Pierres Fazit über die ersten Tage seines Wiederaufstiegs.
Pierre ist außerdem ein Mann der Gemeinschaft, immer gut für ein kleines Schwätzchen nebenher, jemand, der Anteil nimmt. Wenn er nicht da ist, fehlt etwas. Ihm ist es wichtig, "das Trainieren in einer Gruppe mit netten Menschen und das Gesund werden miteinander zu kombinieren". Für ihn gilt, den Fuß schmerzfrei zu halten, die Ausdauer zu erhöhen und das Gewicht zu reduzieren. Und da sein Job ihn immer mehr in Anspruch nimmt, und somit auch der Stress steigt, will er das Radfahren gezielt nutzen, "um einen aktiven Ausgleich zum Berufsleben zu bekommen". Ein Ziel wie "Rund um Köln" ist eher nebensächlich: "Ich muss gestehen, der Reiz, das Rennen zu fahren ist etwas verflogen."
Es muss nicht immer ein Rennen sein

Und da hat er was gemeinsam mit dem Dritten, dessen Ziele, die nächsten Monate im Fokus stehen, dem Autor selbst. Ich bin wie Pierre zweimal das Rennen gefahren, ins Ziel gekommen und kann mit meiner verewigten Zeit ganz gut leben. Ein Rennen ist für mich mehr Stress als Vergnügen, für mich ist definitiv der Weg das Ziel, und umso schöner, je länger dieser ist. Ich bin Teil der Gruppe, die die Mecklenburger Seenrunde anvisiert, und das mit Zuversicht, denn ich bin sie 2016 schon mal alleine gefahren. Und meine Grundlagenausdauer ist in den letzten zwei Jahren besser geworden. Deswegen ist ein Ziel, die Zeit zu verbessern. Der Fokus liegt allerdings darauf, in der Gruppe zu fahren, als Team zusammenzuarbeiten. Sollte das auf Kosten der Zeit gehen, dann ist das so. Mit Blick auf die Leute, mit denen ich fahre, glaube ich allerdings dass das nicht so ist. Ich bin gespannt, wie das Team "Von0auf60" seine Ziele in Angriff nimmt und verfolgt. Und welche möglicherweise noch hinzukommen. Lasst die Saison beginnen - "Von0auf60" ist bereit.