Energiezufuhr und Verwertung: Auf winterlicher Flucht vor Mammut und Säbelzahntiger
Wie komm ich an das verdammte Fett ran?

Es gibt da im Internet dieses Bild, das einen der Unterschiede - den der Energiezufuhr - zwischen Auto und Rad ganz gut erklärt. Das Rad verbrennt die Energie desjenigen, der drauf fährt. Der Treibstoff heißt Fett, ist ausreichend im Körper vorhanden und kostet nichts.
Wenn es doch so einfach wäre. Klar, das Bild trifft es irgendwie, ist aber eine verkürzte Aussage. Und ich habe gelernt, dass verkürzte Aussagen nicht immer die ganze Wahrheit wiedergeben. Im Ernährungsworkshop 'Das liebe Fett' von Almut Exner im FitnessFirst-Studio in Ehrenfeld wird uns am Samstag diese verkürzte Wahrheit näher erläutert. Das Rad läuft nun mal nicht nur mit Fett. Um es mit Fett ans Laufen zu kriegen, muss man einiges beachten und tun. Fett ist zwar der effektivste Energieträger/-lieferant im Körper, aber nicht der einzige. Und es ist auch nicht der am einfachsten zu aktivierende. Der Aktivierung steht unter anderem eines im Wege, über das man im Sport immer wieder stolpert: Kohlenhydrate. Bei weitem nicht so effektiv und der Körper hat auch nicht so viel davon wie vom Fett, aber Kohlenhydrate sind viel leichter zu aktivieren, wenn sie da sind. Sie stehen dem Körper schneller zur Verfügung, sind schneller aufgebraucht und nur begrenzt speicherbar.
Komplexer als ein Verbrennungsmotor
Hinzu kommt ein weiterer Unterschied: Zur Fettverbrennung braucht der Körper Sauerstoff, zur Verbrennung von Kohlenhydraten nicht. Das heißt, sobald man beim Training in den anaeroben Bereich kommt, greift der Körper ebenfalls auf die Kohlenhydratreserven zurück. Das hat jeder schon einmal gemerkt: Fahren im 'roten' Bereich geht nur begrenzte Zeit, wenn ich dem Körper nicht irgendwann wieder Kohlenhydrate zuführe, und zwar in schnell verwertbarer Form. Um auf das Bild vom Anfang zurückzukommen: Im anaeroben Bereich läuft das Fahrrad also mit Kohlenhydraten. Man spart also immer noch Geld, verbrennt aber kein überschüssiges Fett. Ist aber immer noch gesünder als Autofahren – und darauf zielt der Vergleich ja letztlich ab.
Außerdem soll der Workshop Einblick geben in das, was im Körper passiert, wenn er sich anstrengt, welche Dinge er zur Verfügung hat, um Anstrengungen zu meistern, und welche Art von Nahrungszufuhr welche Dinge bewirkt. Ich fand es superinteressant, wenn auch den durchaus komplexen Zusammenhängen manchmal schwer zu folgen war. Und ich hatte es noch nie so mit Naturwissenschaften…
Ein permanentes "Zuviel"

Was vor allem bei mir hängen geblieben, ist die Tatsache, die eigentlich mittlerweile für fast alle Bereiche des Alltags, beziehungsweise Lebens zutrifft. Es gibt ein permanentes Zuviel. Der Körper des Menschen ist auf Mangel ausgelegt, nur mangelt es in hier in unserer mitteleuropäischen Gesellschaft an Nichts, wie rennen täglich durch ein erbarmungsloses Überangebot an Essen, Vergnügen und Information und vielem mehr. Damit überfordern wir unseren Geist und unseren Körper, während die Suche nach physischem und seelischem Gleichgewicht immer schwieriger wird. Damit Körper und Psyche wieder funktionieren, müssen sie regelmäßig resetted werden. Was die Fettverwertung angeht, erreicht man das am besten, indem man seine Reserven aufbraucht, den Energiespeicher nicht ständig auffüllt bevor er leer ist. Der Körper steck das locker weg, denn wie Almut sagt: Wenn Mammut und Säbelzahntiger beim Höhlenmenschen geklopft haben, konnte der nicht sagen: Warte kurz, ich muss mir grad noch ein Gel reinziehen, einen Powerbar in den Lendenschurz stecken, warten bis das Wetter besser wird, und dann gib mir 50 Meter Vorsprung. Carboloading und Pasta am Abend vor dem Rennen oder Training entpuppt während des Workshops sich als Mythos einer durchgestylten SportlergenerationJ. Denn der entwickelte Rad fahrende Mensch schafft es auch, vom Bett direkt auf die Straße. Vielleicht aber doch mit Umweg über die Kaffeemaschine. Den hat sich zumindest die narkoleptische Rennradfraktion während der letzten paar Millionen Jahre hart erkämpft. Und sie besteht drauf, denn sie muss nicht zur Tour de France.
Ausfahrt mit anschließendem Weihnachtsessen

Sie muss nur wie alle anderen Teammitglieder am nächsten Tag zur Teamausfahrt und das gerade erworbene Wissen nutzen, um es genüsslich zu ignorieren: Die Weihnachtsausfahrt mit Start und Ziel am Krewelshof, die erste Tour im Bergischen, steht an. Ich könnte mit der Bahn zum Königsforst fahren und die zehn Kilometer von dort mit dem Rad bewältigen. Ich könnte auch direkt aufs Rad steigen und den gesamte Weg fahren. In beiden Fällen muss ich das Haus um fünf vor acht verlassen. Also fahr ich direkt mit dem Rad, denn im Krewelshof werden die Speicher höchstwahrscheinlich maßlos aufgefüllt.
Im Gegensatz zu letztem Sonntag, ist Radfahren durchaus machbar, auch wenn ab Vingst die weißen Spuren des Winters häufiger werden. Es ist über Null, nicht glatt und am Krewelshof begrüßt mich wie jedes Jahr der überdimensionale Weihnachtsmann. Bevor es losgeht, muss allerdings noch die Zeit sein, den neuen zusätzlichen Guide, Bilgin Aydin, mehrfacher Ötztal-Bewältiger, vorzustellen. Er wird im Wechsel die schnellen Espressos oder Ristrettos übernehmen – in jeglicher Hinsicht eine Bereicherung.
Weiße Weihnachtsausfahrt

Heute allerdings haben Kälte, Startpunkt oder das, was da kommen mag, die Gruppe etwas ausgedünnt, so dass letztlich nur zwei Gruppen auf die Strecke gehen. Es geht über die Panzerstraße in Richtung Flughafen. Es wird schnell deutlich, dass es sich im Bergischen etwas anders fährt als im Westen von Köln. Wir fahren zwar noch nicht die längeren Anstiege, dennoch ist es deutlich welliger, so dass sich der eine oder die andere noch schnell mal verschalten. Alles eine Frage der Gewöhnung, man bekommt relativ schnell ein Gefühl dafür, wo ich am besten was wann mache. Und so läuft die Gruppe nach den ersten zehn Kilometern auch schon etwas runder. Doch nach ein paar weiteren Kilometern kommt die nächste Herausforderung: Es beginnt zu schneien. Und während Jürgen Zeiler und ich an der Spitze der Gruppe gerade verbal erfolglos versuchen, den Nahost-Konflikt zu lösen, beginnt der Wind ziemlich steif in unsere Gesichter zu blasen. Fühlt sich mit den Flocken ein bisschen so an wie ein Peeling. Die Sicht fällt schwerer, das Tempo nimmt ab, nicht aber der Spaß. Hat irgendwie Charme, und schließlich ist ja auch die Weihnachtsausfahrt. Es fehlt nur die festliche Beleuchtung am Straßenrand, und vielleicht ein Chor im nächsten Kreisverkehr, der uns ein hübsches Weihnachtslied singt, während Helfer uns Punsch reichen. Und so fällt die Entscheidung schnell und eindeutig – wir fahren keine zweite Runde, die eine Option gewesen wäre – ohne Schnee. Denn die Flocken werden dichter und es ist nicht wirklich ein Ende abzusehen. Die andere Gruppe um Peter und Bilgin kommt uns entgegen und schließen sich uns an, um gemeinsam zum Krewelshof zu fahren. Niemand hat was gegen die Aussicht auf heiße Getränke und leckeres Essen einzuwenden.
Während das Schneetreiben draußen immer heftiger wird, lassen wir die Ausfahrt, bei leckerem Essen, Kaffee und Kuchen ausklingen. Es hat sich gelohnt und jeder, der mitgefahren ist, kann mal wieder ein bisschen stolz auf sich sein.